Für viele Jahre habe ich in Syrien für die deutschsprachige Sendung von Radio Damaskus als Redakteurin und Sprecherin gearbeitet. Ich hatte das Glück Beiträge für interessante Themen zu schreiben, zum Beispiel unter dem Titel Leben in Syrien, oder Syrien Wiege der Kultur etc. So kam ich unter anderem auf die Idee über Arabismen in den europäischen Sprachen zu schreiben.
Was sind Arabismen? Arabismen sind Wörter, die aus der Arabischen Sprache teilweise unverändert, manchmal mit Lautverschiebungen und manchmal (meist bei Eigennamen) verballhornt, übernommen wurden.
Da diese Arabismen meist über andere europäische Sprachen, wie z. B. das Italienische, Spanische oder Französische, in die deutsche Sprache übernommen wurden, sind sie schwerer zu erkennen.
Die meisten Arabismen findet man in denjenigen Wissenschaften, die über die Araber nach Europa gekommen sind. Als Erstes ist hier die Mathematik. In dieser Wissenschaft waren die Araber das starke Bindeglied zwischen den alten Griechen, den indischen Mathematikern und dem Europa des späten Mittelalters. Sie übersetzten die alten Griechen ins Arabische, und ihre Wissenschaftler erarbeiteten neue Rechenmethoden. Im 15. Jahrhundert brachte Adam Ries eine Revolution des Rechnens nach Deutschland. Er ersetzte die römischen Zahlen durch die indisch-arabischen Zahlen mit der Null. Direkt so ein Arabismus, denn Null heißt auf Arabisch صفر (Sifr), es wird im Deutschen zu Ziffer und gilt für die einzelnen Zahlen. Bleiben wir bei der Mathematik. Algebra ist allgemein nicht so beliebt bei den Schülern, die sich mit Unbekannten und Gleichungen herumschlagen müssen. Aber wo kommt das Wort nun her. Das Buch كتاب_المختصر_في_حساب_الجبر_والمقابلة Al Kitab al-Muchtasar fi hisab al-dschabr wa-l-muqalabat von al-Chwarizmi, ein Universalgelehrter, der im 8. Jahrhundert in Bagdad lebte und arbeitete, gibt uns die Antwort. „Al-Dschabr wird zu Algebra“. Ein weiteres Wort in der Mathematik verdanken wir diesem Gelehrten, denn von seinem Namen leitet sich auch der Begriff Algorithmus ab, der in der Informatik von herausragender Bedeutung und nicht mehr weg zu denken ist. Welchen Stellenwert dieser Universalgelehrte für die verschiedenen Wissenschaften hat, zeigt sich auch in den vielen neuzeitlichen Ehrungen.
In der Sowjetunion wurde 1983 zu seinem angenommenen 1200 Geburtstag (783) eine Briefmarke mit seinem Bildnis herausgegeben. Da er sich auch einen Name in der Astronomie gemacht hatte, wurde 2015 ein Asteroid (13498) nach ihm Al Chwarizmi genannt.
In der Himmelskunde haben viele Sterne arabische Namen, wie z. B. Aldebaran, Beteigeuze, Algol, Atair, Rigel, Wega usw. https://de.qaz.wiki/wiki/List_of_Arabic_star_names. Für die Araber war die Astronomie von großer Bedeutung, Sie benötigten die Sternenkunde für ihre Karawanenreise, die den Weg auch nachts durch die Wüste finden mussten. Viele Bezeichnungen kamen durch die Übersetzung der Bücher des hellenistisch-griechischen Gelehrten Claudius Ptolemäus ins Arabische und darüber in die lateinische Sprache in die Astronomie. Zwei wichtige Wörter in der Himmelskunde sollen hier nicht vergessen werden. „Zenit“ und „Nadir“. Beginnen wir mit Zenit “سمت الرأس” “samt ar-ra’s“ , so bezeichneten die arabischen Astronomen den höchsten Punkt des Himmelsgewölbes, senkrecht über dem Kopf des Betrachters. Das Wort “سمت” „samt“ wurde jedoch durch einen Transcriptionsfehler im Mittelalter zu cent bzw cenit oder wie wir heute schreiben: Zenit. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird es für Höhepunkt verwendet. Nun zum Gegenteil von Zenit, der Fußpunkt, in diesem Fall nicht über dem Betrachter, sondern senkrecht unterhalb des Betrachters. “نظير” „nazir“ hat die Bedeutung von Gegenstück oder Gegenteil. Das Wort wird heute fast nur noch in der Astronomie verwendet.
Weiter geht es mit Geografie. Hier sind viele Namen, vor allem in Nordafrika arabischen Ursprungs. Nehmen wir als erstes die Sahara. Sie heißt auf Arabisch الصحراء الكبرى „alsahra alkubra“, das bedeutet die große Wüste. Im Deutschen, wie in anderen europäischen Sprachen blieb davon nur noch das Wort für Wüste „sahra“ etwas abgewandelt als Sahara. Ebenfalls die Sahel-Zone in Afrika ist dem arabischen Wort سهل „sahel“ entliehen, der Bezeichnung für Ebenen, Niederungen und Küsten.
Auch wenn Europa den Kaffee auf Umwegen über Venedig kennen lernte, so ist das Wort Qawa noch unverkennbar darin enthalten und tummelt sich mehr oder weniger verstellt in allen westeuropäischen Sprachen und wie war noch der Name des Hauptausfuhrhafens für Kaffee im Jemen? Natürlich Mocha, woher dann auch der Mokkakaffee stammte.(Näheres über den Kaffee und seine Verbreitung kann man in meinem Blogartikel „As salam aleykum, wa aleykum salam“ nachlesen https://besteoma.com/?cat=10).
Was kam nicht alles im Mittelalter aus dem Orient, neben dem anregenden Kaffee und den dazu gehörenden Kaffeehäusern auch Gesellschaftsspiele wie z. B. das Schachspiel.
Wer weiß schon, wenn er bei einer gewonnenen Partie freudig “schach-matt” ausruft, oder sich selbst bei Übermüdung als schach-matt bezeichnet, welche ursprüngliche Bedeutung hinter diesen beiden Worten steht? Aschah mat, also der Schah oder hier der König ist tot. Natürlich liefert auch dieser Ausdruck die Grundlage für viele ähnliche Worte in allen europäischen Sprachen.
Viele Stoffbezeichnungen wurden direkt mit der Ware importiert. Chiffon wurde aus dem arabischen Wort شفاف „chaffaf“ für durchsichtig gebildet.
Ebenso lieferten arabische Städte die Grundlage für Stoffnamen. Musselin, ein leichtes Gewebe aus Wolle oder Baumwolle, bekam seinen Namen von der nordirakischen Stadt Mossul. Marco Polo hatte es bei seinen Reisen durch Mossul kennengelernt und bezeichnete den Stoff als Mussolina.
Damast steht unverkennbar für Damaskus. Dieses, meist einfarbige, mit eingewebtem Muster, feine Gewebe wurde wiederum im Mittelalter zuerst von Italien eingeführt und dann nach orientalischen Mustern dort hergestellt.
Ein dichtes Baumwollgewebe wird gerne als Kattun bezeichnet. Hierfür hat ohne Zweifel das arabische Wort قطن “quṭn” Pate gestanden, wie auch für das englische Wort für Baumwolle “cotton”
Ebenfalls versteht man unter Damast, das wohlbekannte Muster der Messer und Schwerter, die in der Herstellungsart des Damaszener Stahls produziert wurden.
Ich hoffe, sie haben noch niemanden vor den Kadi gebracht oder sind dorthin bestellt worden, sondern kennen dieses Wort nur aus den Märchen von 1001 Nacht. Diese Arabische Wort القاضي Qadi für Richter kam im Mittelalter über Spanien und Frankreich in fast alle europäische Sprachen. Im Spanischen hielt es sich sogar noch mit dem arabischen Artikel alcadi, auch das spanische Wort alcalde leitet sich von dem Arabischen Wort Qadi ab. Oder sind sie gar in eine Razzia gekommen? Dieses Wort tritt erst im 19. Jahrhundert in der deutschen Sprache auf und bezeichnet eine plötzliche Durchsuchung der Polizei. Auf arabisch war الغزوه Razwa ein Kriegszug zwischen den einzelnen Beduinenstämmen. Beduine, gleich wieder so ein arabisches Wort, البدوي bedawi ist der arabische Name für die Wüstenbewohner.
Ein Wort, das ebenfalls, durch die mittelalterlichen Handelsbeziehungen, in viele europäische Sprachen aufgenommen wurde, ist Magazin. Das Arabische Wort dazu lautet المجزن Machzan , der Plural ist المخازن Machazin und ist die Bezeichnung für Lager oder Warenspeicher. In neuerer Zeit hat dieses Wort einen Bedeutungswandel erfahren und wird häufiger für Zeitschriften verwendet.
Letztens waren wieder verschiedene Tarifverhandlungen in den Nachrichten.
Wer denkt schon, dass das Wort Tarif, das in den meisten europäischen Sprachen fast unverändert erhalten ist, aus dem Arabischen stammt. „تَعْرِيفَة“ Tarifah bedeutet Bekanntmachung. Im Arabischen wurde dieses Wort hauptsächlich für Zolltarife verwendet, so bekam die spanische Stadt Tarifa auch ihren Namen. Sie ist der südlichste Punkt Europas auf dem Festland und hier mussten die Schiffe, die vom Mittelmeer in den Atlantik passieren wollten, oder umgekehrt, einen Obolus zahlen. Bleiben wir in Spanien. 711 wurde Gibraltar von den Omayyaden erobert. Der Feldherr hieß Tāriq ibn Ziyād. Er erkannte die strategische Wichtigkeit dieses Felsens und eroberte Andalusien von hier aus. Es blieb bis 1472 in muslimischer Hand. Der Felsen bekam den Namen (جبل طارق Dschabal Ṭāriq, „Berg des Tarik“) Gibraltar ist also eine Verballhornung der arabischen Bezeichnung.
In Spanien gibt es viele Bezeichnungen, die noch auf die muslimische Zeit zurückgehen, die mehr als 750 Jahren andauerte. Doch hier will ich nur noch den fünft größten Fluss Spaniens erwähnen den Guadalquivir. Die Omayyaden nannten ihn الوادي الكبير, al-Wādī l-kabīr „das große Tal“. Auch hier ist der Name Guadalquivir eine Verballhornung des arabischen Namens.
Nun wird’s etwas gefährlich. Es geht um Haschisch.“ حشيش“ Haschisch ist Arabisch und bedeutet ganz harmlos Gras, obwohl es natürlich auch in den Arabisch sprechenden Länder um Rauschmittel geht. So kommen mit dem Haschisch weitere Wörter Mitte des 20. Jhd. aus dem Arabischen in die deutsche Sprache in Mode. Was macht jemand, der Haschisch raucht? Außer dem Verb „haschen“ ist auch „er kifft“ bekannt. “كيف„ das arabische Wort (kaifa) hat ursprünglich die Bedeutung von Beschaffenheit, Qualität. Durch das Osmanische kam ein leichter Bedeutungswandel und كيف (keyf) steht nun für Wohlbefinden, gute Laune. So kommen auch Substantive wie Kifferei, Kiffer, oder Gekiffe, Adjektive wie bekifft in den deutschen Sprachgebrauch.
Wer will im Urlaub wieder eine Safari unternehmen? Im Arabischen steht das Wort سفر (Safar) lediglich für „Reise“, während es z. B. als Jagdsafari oder Fotosafari abgewandelt wurde und nicht nur für Reisen innerhalb Afrikas, sondern auch nach Indien und anderen Teilen der Welt eingesetzt wird. Heute spricht man sogar auch von Bootsafari, Tauchsafari etc.
Die älteren unter meinen Lesern kennen sicher noch das Lied „Wie oft sind wir geschritten“. Sogar der Volksliedbarde „Heino“ hat es gesungen. Wie heißt es dort im Refrain: „der Träger und Askari: Heia, heia, Safari.“ Das Wort „Askari“ ist ebenso wie „Safari“ aus dem Arabischen über das Swaheli in unseren Sprachgebrauch gekommen. Das Arabische Wort عسكري “askari“ für Soldat kommt auch in anderen Sprachen als Lehnwort vor. Im Deutschen wurden mit diesem Begriff einheimische Soldaten in den Kolonialtruppen bezeichnet.
Nun möchte ich mich etwas weniger militärischem zuwenden und zwar dem Obst und Gemüse oder sogar allgemein dem Essen.
Ich beginne mit Z wie “Zwetsche oder Zwetschge””. Auch wenn der Name nicht sicher belegbar aus dem Arabischen stammt, kam der Baum bzw. die Frucht über Syrien nach Europa. Hier wurde sie dann als “prunus Damascena” (die Damaszener-Pflaume) bezeichnet oder in Frankreich “Damascene” auf Arabisch “دمشقية” “dimaschqieh” die Damaszenerin, getauft. Da Jakob und Wilhelm Grimm in ihrem “Deutsches Wörterbuch” die Zwetsche ebenfalls auf die Damaszener Pflaume zurückführen, ist das Wort hier wohl nicht fehl am Platze.
Wird fortgesetzt