Wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Welt geht, kann man viel von den Menschen lernen, wieviel mehr, wenn man lange Zeit mit und unter ihnen wohnt. Ein arabisches Sprichwort lautet „wer 40 Tage bei einem Volk lebt, wird einer von ihnen“. Wieviel mehr gilt dies für fast 40 Jahre.
In dieser Zeit nimmt man die kleinsten Redewendungen, Unterschiede in den Blicken, in der Betonung einzelner Floskeln und weiteren Eigentümlichkeiten war.
Ahlan wa Sahlan, herzlich willkommen, welcome, benvenuto, bienvenido, bienvenue, eine Tasse Kaffee gefällig? Diese Begrüßung wird man überall hören, auf dem Markt, beim Einkaufen, bei kurzen Besuchen bei Nachbarn, bei Verwandten, Freunden, zum Abschluss von Verträgen, in Beduinenzelten, dieses freundliche Ahlan wa Sahlan begleitet von einer Tasse Kaffee. Die Freundlichkeit ist die gleiche jedoch der Kaffee ändert sich, deshalb hier eine kleine Kaffeekunde.
Der Kaffee und seine Geschichte
Schon das Wort Kaffee leitet sich aus dem Arabischen قهوه Qahwa ab. Kaffa ist der Name einer Region im Abessinischen Hochland. Von hier aus wurde früher der Bohnenkaffee exportiert. Abessinien war ein altes Kaiserreich in Ostafrika, das erst 1974 in die Länder Äthiopien und Eritrea geteilt wurde. Eine Legende zur Entdeckung des Kaffees deutet nach Abessinien bzw. Äthiopien. Der Kaffee wurde demnach von einem Hirten entdeckt. Seine Ziegen benahmen sich seltsam, nachdem sie von der immer grünen Pflanze gefressen hatten. Der Ziegenhirte Kaldi, so hieß er der Legende nach, soll sodann selbst davon probiert haben. Diese Erzählung wird von einem syrischen Maronitenmönch, mit Namen Faustus Naironus Banesius, schriftlich überliefert. Der Hirte hatte eine Ziegenherde beobachtet, die ungewöhnlich lebhaft war und nachts keine Ruhe fand, wenn sie von dem Strauch mit den bunten Früchten gefressen hatte. Das weckte auch die Experimentierfreude des Mönchs, ob er sie aß oder einen Aufguss aus den Blättern und Früchten trank, kann ich hier nicht genau sagen. Aber die Wirkung des Kaffees war gefunden, er wurde nicht mehr so schnell müde und konnte so sein Komplet, sein Nachtgebet nach dem Abendessen wacher verrichten. Deshalb kann man heute mit Fug und Recht behaupten, dass Abessinien das Ursprungsland des Kaffees ist. Die meisten, der heute kaffeeexportierenden Länder liegen in der gleichen Klimazone wie Äthiopien. Übrigens erreicht man die gleiche Wirkung auch durch Genuss von Kakao, Tee und der Cola-Nuss.
Zu Anfang wurden die Kaffeeblätter und Kirschen wohl aufgebrüht und getrunken. Erst später kam die Weiterverarbeitung, wie wir sie heute kennen. Ein Arzt, der im Jemen gearbeitet hat, erzählte mir, dass er mal nach einer erfolgreichen Entbindung, von dem jungen Vater einen Sack Schalen der Kaffeebohnen, also die sogenannte Kaffeekirsche bekommen hatte. Da er zu der Zeit nicht wusste, was er damit anfangen sollte, erklärte man ihm, wie sie gekocht, bzw. aufgegossen werden. So wird im Jemen schon seit Jahrhunderten Kaffee zubereiten. Man nennt ihn dort „Quishar“, das arabische Wort für Schale oder Kruste. Traditionell werden die Schalen mit Ingwer, Zimt und ganz viel Zucker aufgekocht, ideal also für die kalten Wintermonate.
Bei meinen Recherchen fand ich unter dem Stichwort “Kaffeeschalen“ ein Trendgetränk mit Namen „Cascara“ das aus Kaffeekirschen aufgegossen wird. In den kaffeeexportierenden Ländern, wie Äthiopien, Jemen, Brasilien, Bolivien oder Panama trank und trinkt man den Sud aus den Kaffeekirschen schon Jahrhunderte bevor man anfing die Kaffeebohnen zu rösten. Die Kaffeestaude entwickelt ihren Koffeingehalt in den Früchten als Insektenschutz, so ist es nur natürlich, dass in der Kaffeekirsche mehr Koffein enthalten ist als in der Kaffeebohne.
Die Kaffeepflanze wurde also zuerst in den arabischen Ländern kultiviert, verkauft und auch Kaffee getrunken. Der Name der Hafenstadt im Jemen, über die der Großteil des Kaffees ausgeführt wurde, ist Al-Muchá. Dieser, einst blühende Ort im Jemen, ist heute der totalen Bedeutungslosigkeit preisgegeben. Kaum einer, der den Namen Mokka ausspricht, denkt heute noch an die, im 17. und 18. Jahrhundert, pulsierende Stadt, in der es bis zu 30.000 Einwohner gab. Hier lag das Monopol des Welthandels für Kaffee. Fremden war es nicht gestattet in das Hochland vorzudringen. So versuchte man die Kaffeepflanzen vor Raub zu schützen. Obwohl die Araber im Jemen sehr bedacht waren, dass die Kaffeepflanze nicht außer Landes geriet, verbreitete sich Ende des 17. und Anfang des 18, Jahrhunderts der Anbau der Kaffeepflanze. Die Niederländer pflanzten sie in Indonesien, die Franzosen in Cayenne, Martinique und Guadeloupe, und die Portugiesen brachten sie schließlich nach Brasilien, das Land welches heute den größten Kaffeeanbau und Export verzeichnet.
Die Verbreitung des Kaffees als Getränk wurde durch die Errichtung von Kaffeehäusern gefördert. Bereits im Jahre 1511 wurde in Mekka ein Kaffeehaus eröffnet. Trotz verschiedener Verbote begannen die Kaffeehäuser ihren Siegeszug über Syrien, Kleinasien und Ägypten nach Europa. Noch heute sind die Wiener Kaffeehäuser bekannt. Im Jahre 2011 wurde diese Wiener Kaffeehauskultur von der UNESCO sogar in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen, ebenso wie im Jahre 2015 die Arabische Kaffeekultur in Katar, Oman und den Vereinigte Arabische Emirate.
Hattet ihr auch den Kaffee-Kanon im Kindergarten oder in der Grundschule?
C-a-f-f-e-e,
trink nicht so viel Caffee!
Nicht für Kinder ist der Türkentrank,
schwächt die Nerven, macht dich blass und krank.
Sei doch kein Muselmann,
der ihn nicht lassen kann!
Dieser dreistimmige Kanon aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt uns, woher der Kaffee nach Deutschland kam. Heute wird in den Kindergärten und Schulen folgende „diskriminierungsfreie“ Version vorgezogen.
C-a-f-f-e-e,
trink nicht so viel Caffee!
Nicht für Kinder ist der schwarze Trank,
schwächt die Nerven, macht dich blass und krank.
Sei doch kein dummer Mann,
der ihn nicht lassen kann!
Doch nun wird es langsam Zeit sich um die Zubereitung des Kaffees zu kümmern. Wie schon aus dem vorigen Text erkennbar ist, gibt es verschiedene Zubereitungsformen des Kaffees.
Bei den Beduinen und den Ländern am Golf handelt es sich um eine Zeremonie, die mehrere Stunden dauern kann und gleichzeitig ein Zeichen der Gastfreundschaft ist.
Zu Beginn werden die grünen Kaffeebohnen in einer flachen Pfanne, unter ständigem Rühren, auf dem offenen Feuer, dem Manqal, geröstet, bis sie eine gleichmäßige braune bis dunkelbraune Farbe haben, je nach Geschmack. Nach dem Abkühlen kommen die frisch gerösteten Kaffeebohnen in den Mihbaj und werden nun zerstoßen. Der Mihbaj ist häufig ein ca. 40-50 cm hoher Holzbehälter, ähnlich eines großen Mörsers. Den Mihbaj gibt es in sehr kunstvollen Ausführungen, mit schönen Schnitzereien und Perlmutteinlegearbeiten. Als Pistill fungiert ein ca. 1 m langer dicker Holzstab, der ebenso wie der Mihbaj ausgestattet ist. Der Mihbaj wird sogar als Schlaginstrument in einer Beduinenkapelle eingesetzt. So wird der Mahlzeremonie durch einen bestimmten Rhythmus eine besondere Note verliehen. Wenn dann einer der Anwesenden ein entsprechendes Lied beginnt, die Gäste den Rhythmus mitklatschen, werden nicht selten weitere Gäste angelockt. In dieser lockeren Atmosphäre werden die gerösteten Kaffeebohnen zerstoßen, bis die gewünschte Feinheit erreicht ist. Dieses grobe Kaffeemehl wird nun mit viel Kardamom und Wasser in eine große Kanne gegeben und ca. zwei Stunden gekocht. In einem Beduinenzelt gibt es immer mehrere Kupfer- oder Messingkaffeekannen in verschiedenen Größen, in die der gekochte Kaffee abgegossen wird, sodass der Kaffeesatz immer in dem vorigen Gefäß bleibt. Mit Kardamomschoten wird er in diesen Kannen weiter gekocht oder direkt in den kleinen, henkellosen Tassen serviert. Die Tassen werden höchstens zu einem Viertel bis zu einem Drittel mit dem fertigen, sehr heißen und starken Kaffee gefüllt. Den Kaffee abzulehnen oder die angenommene Tasse nicht zu trinken ist sehr unhöflich. Heute macht man jedoch bei Fremden, d.h. Touristen schon mal Ausnahmen.
Hier ein Rezept für den Bitterkaffee:
500 g grüne Kaffeebohnen (Rohkaffee, wenn ihr den Kaffee selbst rösten wollt, sonst bereits gerösteten Kaffee verwenden) Der Kaffee sollte nach dem Mahlen etwas grobkörnig sein.
50 g grüner Kardamom (es empfiehlt sich die Kapseln ein wenig zu öffnen, sodass sich das Aroma besser entfaltet
2 l Wasser Wie oben schon erwähnt, muss das Ganze nun eine Weile (2 – 3 Stunden) kochen.
Wenn das Wasser ca. um die Hälfte eingekocht ist und das Kaffeepulver sich gesetzt hat sich, kann der Kaffee in eine andere Kanne abgegossen werden und nochmal kurz aufkochen, danach wird er serviert. Den Rest des Kaffees kann man gut in einer Glasflasche im Kühlschrank aufbewahren und bei Bedarf aufkochen uns servieren.
Diese Kaffeezubereitung habe ich bei den Beduinen in der syrischen Wüste kennengelernt. In der Stadt bezeichnet man ihn als Arabischen Kaffee oder قهوة مرة Qahwah murra, also Bitterkaffee, weil er ohne Zucker getrunken wird.
Im Gegensatz dazu ist der türkische Mokka. Er wird in kleinen Portionen mit Zucker zubereitet. Dafür gibt man in eine kleine Stielkanne eine abgemessene Menge Wasser hinein, also für 4 Personen, vier Tassen Wasser und eine für das Kännchen, wie mir die Damaszener Hausfrauen sagten. Auch soll man nicht mehr als 10 Tassen in einem Kännchen auf einmal zubereiten.
Bevor nun der gewünschte Zucker in das Wasser gegeben wird, fragt man die Gäste, wie sie den Kaffee wünschen (mazbutah, wasat, hilwah) das bedeute entweder wenig Zucker, mittelmäßig oder süß. Wenn sich die Gäste nicht auf eine Art einigen, setzt man für jede Sorte ein Kännchen auf den Herd, weshalb in jedem Haushalt auch mehrere Kännchen zu finden sind. Das Wasser wird nun mit dem gewünschten Zucker aufgekocht, dann kommt das sehr feingemahlene Kaffeemehl z.T. bereits mit Kardamom versetzt, dazu, ebenfalls pro Tasse einen gehäuften Kaffeelöffel, den extra Löffel für das Töpfchen nicht vergessen. Nun lässt man das Ganze nochmal aufkochen. Wenn man den Schaum, der sich beim Aufwallen bildet, mag, lässt man den Kaffee nur kurz aufkochen, ansonsten sollte er dreimal hochkommen. Dann wird sich das Kaffeemehl absetzen. Der Kaffee wird nun in die bereitgestellten Mokkatassen gegossen und mit einem Glas kaltem Wasser serviert.
Bei einer kleinen Frauengesellschaft wird sich sicher jemand finden, der aus dem Kaffeesatz lesen kann. Wer möchte nicht gerne in die Zukunft schauen? Der türkische Mokka ist dafür prädestiniert, denn ein deutscher Filterkaffee wird keine so schönen Landschaften und andere Bilder in der Tasse hinterlassen. Dafür werden die Untertassen nun umgekehrt auf die kleine Tasse gelegt und alles zusammen umgestülpt, sodass in der Tasse nur noch ein wenig des Kaffeesatzes haften bleibt. Wenn man sich diesen getrockneten Kaffeesatz nun betrachtet, kann man darin viele Figuren und Symbole erkennen, aus denen nun die geübte Kaffeesatzleserin viel herauslesen kann. Der bekannte syrische Dichter, Schriftsteller und Diplomat Nizar Qabbani schrieb eine Ballade unter dem Titel قراﺀة الفنجاان„Qareat El Fengan Der populäre ägyptische Sänger Abdel Halim Hafez sang diesen Titel قراﺀة الفنجاان„Qareat El Fengan“ die Tassenleserin. Tatsächlich kann man, je länger man die Muster,
die der Kaffeesatz hinterlässt, betrachtet, alles Mögliche erkennen: ein Baum, ein Fisch, eine Schlange, eine lange Straße, verschiedene Gebäude, fröhliche oder böse Gesichter oder sogar ein Herz, welches natürlich die große Liebe ankündigt. Da man sich meistens auch noch gut kennt und die Pläne der nächsten Tage mehr oder weniger bekannt sind, wird der Tasseninhaberin nun anhand der Bilder im Kaffeesatz gezeigt, wie ihr Leben in nächster Zeit aussieht. Ob z. B. eine Hochzeit ansteht, eine längere Reise geplant ist, jemand krank wird oder schnell genest, ein wichtiger Termin beim Amt ansteht und vieles andere mehr. Die alles gilt mehr oder weniger nur der Unterhaltung und nicht einem ernsthaften Zukunftslesen.
Wenn man nun zum Schluss der Gastgeberin oder dem Gastgeber die leere Tasse zurückgibt oder auf den Tisch stellt, sollte man auf keinen Fall vergessen sich mit dem Wort „Daïmé“ دايما zu bedanken. Es bedeutet so viel wie „immer“ und man will damit den Wunsch betonen, dass es dem Gastgeber immer so gut gehen möchte und er seine Gäste großzügig bewirtet.
Wa aleykum salam. Super interessanter Beitrag, weiter so!
Fand ich sehr interessant